HartzPlus – Die Auswirkungen von Hartz-IV-Sanktionen

Wie wirken sich Sanktionen auf Motivation, Wohlbefinden und Kooperationswillen von Hartz-IV-Empfänger:innen aus? Eine durch das Zentrum für neue Sozialpolitik mitgeförderte Studie des Vereins Sanktionsfrei e. V. geht diesen Fragen auf den Grund und liefert wertvolle Impulse für die Ausgestaltung des Bürgergeldes.

Projektinfo

Experimentelle Feldstudie
Status: abgeschlossen
Partner: Sanktionsfrei e.V., Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES Berlin)

Ausgangslage

Drei Jahre lang hat der Verein Sanktionsfrei e.V. insgesamt 250 Bezieher:innen von Hartz IV komplett und bedingungslos ihre finanziellen Sanktionen erstattet. Die Teilnehmenden konnten dabei frei entscheiden, welche Angebote der Arbeitsagentur sie wahrnehmen und welche nicht. Drohte die Agentur mit Strafzahlungen, half ihnen Sanktionsfrei e.V. mit rechtlichem Beistand – bei Bedarf aber auch mit Geld. Um das Existenzminimum aufrechtzuerhalten, wurden sanktionierte Beträge komplett erstattet.

Die wichtigsten Befunde

Die Sanktionen steigern weder die Motivation der Betroffenen, noch erhöhen sie die Kooperationsbereitschaft. Stattdessen werden Sanktionen als immense psychische Belastung empfunden, die negative Auswirkungen hat.
Der Sanktionsausgleich führt nicht zu erhöhter Renitenz: Sanktionsversicherte werden nicht häufiger sanktioniert als die Kontrollgruppe.
Die Befragten empfanden den Kontakt zum Jobcenter eher als einschränkend statt befähigend: Sie fühlen sich kontrolliert und ohnmächtig gegenüber den Jobcentern, die Betreuung wird als bevormundend und oft als sozial stigmatisierend wahrgenommen.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass Hilfs- und Unterstützungsangebote auf Augenhöhe eine größere Wirkung auf die Motivation und Kooperationsbereitschaft der Betroffenen haben als Sanktionen. Für die Weitergestaltung des Bürgergelds liefert die Studie damit wichtige Hinweise darauf, wie eine Reform der Zusammenarbeit zwischen Jobcentern und Leistungsempfänger:innen aussehen kann.

Zur Studie

„Die Zusammenarbeit mit Jobcentern muss neu gedacht werden. Nicht Druck, sondern Vertrauen sowie eine Beratung auf Augenhöhe sind notwendig, um die Empfänger:innen nachhaltig zu befähigen und ihrem Ohnmachtsgefühl entgegenzuwirken.“

Mansour Aalam, Direktor des Zentrums für neue Sozialpolitik

Theoretischer Hintergrund

Die Studie wurde von dem Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES Berlin) durchgeführt. Über 500 zufällig ausgewählte Studienteilnehmende wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die Personen der Interventionsgruppe erhielten drei Jahre lang eine Versicherung gegen Sanktionen, die finanziell bedingungslos ausgeglichen wurden. Die Personen in der Kontrollgruppe hatten keine Versicherung. Diese beiden Gruppen wurden nicht nur beobachtet und verglichen, sondern außerdem im Zeitverlauf befragt.

Berichterstattung

Spiegel, 12.09.2022 – »Sanktionen verursachen eine Kultur des Misstrauens«

Bayerischer Rundfunk, 12.09.2022 – Langzeitstudie: Hartz IV-Sanktionen verfehlen ihr Ziel

Jung & Naiv, 12.09.2022 – Ergebnisse der Studie über Wirkung von Sanktionen bei Hartz 4 – BPK 12. September 2022

Frankfurter Rundschau, 14.09.2022 – Hartz IV-Studie: Sanktionen verfehlen Wirkung und machen Menschen krank