
Sozialpolitische Haltungen der deutschen Parteien

Ein Überblick
Die anstehende Bundestagswahl hat bedeutende Auswirkungen, auch für die Sozialpolitik. Ob soziale Sicherung, Bildung oder Klimapolitik – die Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze. Von staatlicher Unterstützung bis zu Eigenverantwortung und Innovation: Dieser Überblick zeigt, welchen Stempel SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke, AfD und BSW dem Sozialstaat aufdrücken wollen. Er wird laufend aktualisiert, sobald neue Wahlprogramme verabschiedet werden.
Die Bundestagswahl rückt näher – und damit ein Moment, der nicht nur über die Zusammensetzung des Parlaments entscheidet, sondern auch über Weichenstellungen in der Sozialpolitik. Im Zentrum der Debatten stehen Fragen nach Gerechtigkeit, Chancengleichheit und der Rolle des Staates in all dem. Es geht um nicht weniger als eine Richtungsentscheidung für die Zukunft unseres Sozialstaats. Um die verschiedenen Visionen, die derzeit im Wettbewerb um die Wähler:innengunst stehen, besser zu verstehen, beleuchten wir die sozialpolitischen Positionen der Parteien in drei Bereichen, die aktuell stark diskutiert werden – soziale Sicherung, Bildung und Arbeitsmarkt sowie sozial-ökologische Transformation.
SPD
Die SPD positioniert sich als Partei, die für soziale Gerechtigkeit, einen starken Sozialstaat und wirtschaftliche Stabilität eintritt.
- Soziale Sicherung: Soziale Sicherheit wird als Garant für ein gutes Zusammenleben gesehen. Sie soll u.a. über einen starken Sozialstaat, die Unterstützung von Arbeitnehmer:innen sowie durch ein stabiles Rentenniveau gestärkt werden.
- Bildung und Arbeitsmarkt: Die SPD betont, dass gute Arbeit faire Löhne verdient und tritt für eine weitere Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro ein. Verlässliche Bildungsangebote werden als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben betrachtet.
- Sozial-ökologische Transformation: Die SPD fordert, dass Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden muss, mit Maßnahmen, die für alle leistbar sind. So sollen soziale Ungleichheiten abgefedert und eine erhöhte Akzeptanz in der Bevölkerung gesichert werden.
CDU/CSU
Die Unionsparteien betonen in ihren Wahlprogrammen die Bedeutung von Wirtschaft und Wachstum auch in der Sozialpolitik.
- Soziale Sicherung: Die Union will das Bürgergeld durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen und Vorsorge mit Eigentum und Vermögen u. a. durch höhere Freibeträge bei Grunderwerb- und Erbschaftssteuer sowie Sparen fördern. Außerdem betont sie den Grundsatz von „Fördern und Fordern“ und möchte Sozialleistungen an die Arbeitsbereitschaft koppeln.
- Bildung und Arbeitsmarkt: CDU/CSU streben eine digitale Bundesagentur für Einwanderung an, um ausländischen Fachkräften den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern. Zudem sollen bis 2030 3,5% des BIP für Forschung und Entwicklung aufgewendet werden.
- Sozial-ökologische Transformation: Die Unionsparteien fordern einen marktwirtschaftlichen Klima- und Umweltschutz. Über Einnahmen aus der CO2-Steuer sollen sukzessive die Stromsteuer sowie Netzentgelte reduziert werden.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen verknüpfen soziale Gerechtigkeit mit ökologischer Verantwortung, um eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft zu schaffen.
- Soziale Sicherung: Die Grünen wollen geringe und mittlere Renten durch Erträge aus einem Bürger:innenfonds stärken, der Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Um Kinderarmut zu bekämpfen, sollen Leistungen gebündelt und Antragsverfahren vereinfacht sowie automatisiert werden.
- Bildung und Arbeitsmarkt: Mit einem „Zukunftsinvestitionsprogramm Bildung“ wollen die Grünen einen flächendeckenden Ausbau von Kita- und Schulangeboten voranbringen. Außerdem wollen sie den Mindestlohn auf 15 Euro anheben – auch für Minderjährige. Darüber hinaus setzen sie sich für eine Ausweitung tarifgebundener Arbeitsplätze ein.
- Sozial-ökologische Transformation: Die Grünen wollen öffentliche Förderprogramme nutzen, um eine sozial gerechte Klimapolitik zu gestalten. Entsprechende Maßnahmen wollen sie vor allem durch die Besteuerung großer, CO2-produzierender Unternehmen finanzieren.
FDP
Die FDP betont die Freiheit der oder des Einzelnen und setzt auf Eigenverantwortung, unterstützt durch einen schlankeren und effizienteren Sozialstaat.
- Soziale Sicherung: Das Bürgergeld soll grundlegend reformiert und stärkere Anreize für Arbeit gesetzt werden, u.a. durch eine Intensivphase des Kontakts zum Arbeitsamt zu Beginn des Leistungsbezuges. Das Rentenniveau wollen die Freien Demokraten durch die Einführung einer kapitalgedeckten Altersvorsorge anheben.
- Bildung und Arbeitsmarkt: Die FDP will frühkindliche Bildung durch ein Startchancenprogramm für Kitas fördern. Der Bildungsföderalismus soll reformiert und ein einheitliches Deutschland-Abitur eingeführt werden. Durch ein Aufstiegsbafög sollen zweite Fortbildungen finanziert werden, damit der Arbeitsmarkt flexibler auf neue Anforderungen reagieren kann.
- Sozial-ökologische Transformation: Hier betont die FDP die Relevanz von Technologieoffenheit für die Energiewende. So soll das Verbrenner-Verbot umgehend aufgehoben werden. Außerdem soll die Nutzung von sog. Carbon Capture and Storage-Technologien zu einer Reduzierung des CO₂-Gehalts beitragen. Eine Verknüpfung ökologischer und sozialer Aspekte wird nicht explizit erwähnt.
AfD
Die AfD fordert, dass soziale Unterstützung vorrangig deutschen Staatsbürger:innen zugutekommt.
- Soziale Sicherung: Die AFD will, dass Sozialleistungen für Asylbewerber:innen nach Möglichkeit in Sachleistungen umgewandelt und bei Ablehnung von Arbeitsgelegenheiten gekürzt werden. Das Bürgergeld soll in eine „aktivierende Grundsicherung“ transformiert werden, die u.a. eine verpflichtende Bürgerarbeit vorsieht.
- Bildung und Arbeitsmarkt: Die Partei will den Schulen mehr Disziplinarmöglichkeiten einräumen. Gleichzeitig soll die allgemeine Schulpflicht zu einer Bildungspflicht werden, die auch ohne schulische Institution erfüllt werden kann. Der Arbeitsmarkt soll stärker dereguliert und staatliche Eingriffe minimiert werden.
- Sozial-ökologische Transformation: Da die AfD den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel bestreitet, fordert sie eine Umkehrung zahlreicher klimapolitischer Maßnahmen. So sollen alle CO₂-Abgaben abgeschafft und Kohlekraftwerke reaktiviert werden.
Die Linke
Die Linke positioniert sich als Partei, die für soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft und Wirtschaftsordnung eintritt.
- Soziale Sicherung: Die Linke will das Bürgergeld in eine sanktionsfreie Mindestsicherung umwandeln, die alle mit einem Einkommen von unter 1400€ erhalten sollen. Durch die Einführung einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung soll das Rentenniveau auf 53% steigen.
- Bildung und Arbeitsmarkt: Um Bildungseinrichtungen umfassend zu sanieren, fordert die Linke ein Sondervermögen von 100 Mrd. Der Mindestlohn soll bis 2026 auf 16€ steigen und Leiharbeit generell verboten werden, um prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu beenden. Außerdem setzt sich die Linke für eine kostenfreie Bildung ein – von der Kita bis zur Hochschule
- Sozial-ökologische Transformation: Ein 200 Mrd. schweres Investitionsprogramm soll den Industrieumbau vorantreiben. Subventionen sollen aber an Gegenleistungen, wie etwa Tarifverträge und Standortverpflichtungen, gebunden werden. Mit einem solidarischen Klimageld sollen die Kosten der Energiewende abgefedert werden.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht kombiniert eine linke Sozial- und Wirtschaftspolitik mit gesellschaftspolitisch konservativen Elementen.
- Soziale Sicherung: Durch einen Grundfreibetrag auf Sozialabgaben sollen kleine und mittlere Einkommen entlastet werden, ohne dass daraus eine Kürzung des Leistungsanspruchs resultiert. Das Bürgergeld will das BSW durch eine Arbeitslosenversicherung ersetzen.
- Bildung und Arbeitsmarkt: Um allen Kindern faire Bildungschancen zu gewährleisten, fordert das BSW die Abschaffung des Bildungsföderalismus sowie eine Ausweitung von Ganztagsbetreuungsangeboten. Den Mindestlohn will das Bündnis unverzüglich auf 15 Euro erhöhen.
- Sozial-ökologische Transformation: Das BSW bekennt sich zwar zum Pariser Klimaabkommen, fordert aber den Rückbau zahlreicher klimapolitischer Maßnahmen. So sollen das Verbrennerverbot, das Heizungsverbot und die CO2-Steuer wieder abgeschafft werden.
Fazit
Der Blick auf die grundsätzlichen sozialpolitischen Positionen der Parteien zeigt: Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Während die einen auf Umverteilung und staatliche Sicherungssysteme setzen, betonen die anderen Eigenverantwortung und Effizienz. Auch die Voraussetzungen zum Zugang zu Sozialleistungen werden unterschiedlich definiert. Das spiegelt nicht nur verschiedene ideologische Prägungen der Parteien wider, sondern auch konkurrierende Vorstellungen davon, wie Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit zusammenwirken sollten.
Die Sozialpolitik ist somit nicht nur ein technokratisches Feld, sondern eine zutiefst politische Frage, die unsere Gesellschaft und ihre Werte prägt. Für Wähler:innen bedeutet dies, sich mit den unterschiedlichen Konzepten auseinanderzusetzen – denn die Wahl wird auch darüber entscheiden, wie der Sozialstaat der Zukunft aussehen soll.
Disclaimer: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und stellt keine Bewertung oder Unterstützung der dargestellten Positionen dar. Ziel ist es, einen sachlichen Überblick über die sozialpolitischen Grundsätze der Parteien zu geben.