Sozialpolitische Haltungen der deutschen Parteien

Ein Überblick

Die anstehende Bundestagswahl hat bedeutende Auswirkungen, auch für die Sozialpolitik. Ob soziale Sicherung, Bildung oder Klimapolitik – die Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze. Von staatlicher Unterstützung bis zu Eigenverantwortung und Innovation: Dieser Überblick zeigt, welchen Stempel SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke, AfD und BSW dem Sozialstaat aufdrücken wollen. Er wird laufend aktualisiert, sobald neue Wahlprogramme verabschiedet werden.

Die ZSP-Redaktion

Die Bundestagswahl rückt näher – und damit ein Moment, der nicht nur über die Zusammensetzung des Parlaments entscheidet, sondern auch über Weichenstellungen in der Sozialpolitik. Im Zentrum der Debatten stehen Fragen nach Gerechtigkeit, Chancengleichheit und der Rolle des Staates in all dem. Es geht um nicht weniger als eine Richtungsentscheidung für die Zukunft unseres Sozialstaats. Um die verschiedenen Visionen, die derzeit im Wettbewerb um die Wähler:innengunst stehen, besser zu verstehen, werden wir in den kommenden Monaten die sozialpolitischen Positionen der Parteien aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Den Anfang macht ein Überblick über ihre grundsätzlichen Haltungen in drei Bereichen, die aktuell stark diskutiert werden – soziale Sicherung, Bildung und Arbeitsmarkt sowie sozial-ökologische Transformation.

SPD

Die SPD positioniert sich als Partei, die für soziale Gerechtigkeit, einen starken Sozialstaat und wirtschaftliche Stabilität eintritt.

  • Soziale Sicherung: Soziale Sicherheit wird als Garant für ein gutes Zusammenleben gesehen. Sie soll u.a. über einen starken Sozialstaat, die Unterstützung von Arbeitnehmer:innen sowie durch ein stabiles Rentenniveau gestärkt werden.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Die SPD betont, dass gute Arbeit faire Löhne verdient und tritt für eine weitere Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro ein. Verlässliche Bildungsangebote werden als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben betrachtet.
  • Sozial-ökologische Transformation: Die SPD fordert, dass Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden muss, mit Maßnahmen, die für alle leistbar sind. So sollen soziale Ungleichheiten abgefedert und eine erhöhte Akzeptanz in der Bevölkerung gesichert werden.

CDU/CSU

Die Unionsparteien betonen in ihren Wahlprogrammen die Bedeutung von Wirtschaft und Wachstum auch in der Sozialpolitik.

  • Soziale Sicherung: Die Union will das Bürgergeld durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzen und Vorsorge mit Eigentum und Vermögen u. a. durch höhere Freibeträge bei Grunderwerb- und Erbschaftssteuer sowie Sparen fördern. Außerdem betont sie den Grundsatz von „Fördern und Fordern“ und möchte Sozialleistungen an die Arbeitsbereitschaft koppeln.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: CDU/CSU streben eine digitale Bundesagentur für Einwanderung an, um ausländischen Fachkräften den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern. Zudem sollen bis 2030 3,5% des BIP für Forschung und Entwicklung aufgewendet werden.
  • Sozial-ökologische Transformation: Die Unionsparteien fordern einen marktwirtschaftlichen Klima- und Umweltschutz. Über Einnahmen aus der CO2-Steuer sollen sukzessive die Stromsteuer sowie Netzentgelte reduziert werden.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen verknüpfen soziale Gerechtigkeit mit ökologischer Verantwortung, um eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft zu schaffen.

  • Soziale Sicherung: Die Grünen setzen sich für ein umfassendes soziales Sicherungssystem ein, das Armut verhindert und allen Menschen Teilhabe ermöglicht.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Der Zugang zu qualitativ hochwertigen Schulen und Hochschulen wird als Teil eines übergeordneten Gerechtigkeitversprechens betrachtet. Um einen stabilen und fairen Arbeitsmarkt zu gewährleisten, werden Anpassungen des Mindestlohns und eine Verringerung prekärer Jobs angestrebt.
  • Sozial-ökologische Transformation: Die Grünen setzen auf eine ökologische Sozialpolitik, innerhalb derer Umweltmaßnahmen und soziale Teilhabe zusammengedacht werden.

FDP

Die FDP betont die Freiheit der oder des Einzelnen und setzt auf Eigenverantwortung, unterstützt durch einen schlankeren und effizienteren Sozialstaat.

  • Soziale Sicherung: Die FDP fordert mit einer Reform des Bürgergeldes eine stärkere Verknüpfung von sozialer Unterstützung mit Anreizen zur Arbeitsaufnahme, um Eigeninitiative zu fördern.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Bildung wird als elementare Voraussetzung für individuelles Vorankommen und ein selbstbestimmtes Leben beschrieben. Moderne Bildungssangebote werden als Schlüssel gesehen, damit Menschen ihr Potenzial ausschöpfen können.
  • Sozial-ökologische Transformation: Die FDP legt einen Fokus auf marktwirtschaftliche Ansätze und technologische Innovationen.

AfD

Die AfD fordert, dass soziale Unterstützung vorrangig deutschen Staatsbürger:innen zugutekommt.

  • Soziale Sicherung: Soziale Leistungen für nicht-deutsche Staatsbürger:innen sollen begrenzt werden. Zudem soll soziale Gerechtigkeit an Eigenverantwortung gekoppelt werden.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Die Partei spricht sich gegen vermeintlich ideologische Inhalte im Bildungsbereich aus. Sie will inländischen Leistungsberechtigten bei der Vermittung in Arbeitsverhältnisse Vorrang geben und dem Fachkräftemangel mit technologischen Innovationen statt der Senkung bürokratischer Hürden für ausländische Fachkräfte entgegenwirken.
  • Sozial-ökologische Transformation: Die AfD will einen sofortigen Stopp der sozial-ökologischen Transformation der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft und kritisiert eine vermeintliche Einseitigkeit in der Förderpolitik.

Die Linke

Die Linke positioniert sich als Partei, die für soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft und Wirtschaftsordnung eintritt. 

  • Soziale Sicherung: Die Linke will eine lebensstandardsichernde Arbeitslosenversicherung und fordert ein Mindesteinkommen von 1250 Euro, das in der Grundsicherung, der Rente und der Kurzarbeit abgesichert sein muss. Zudem fordert sie eine sanktionsfreie Mindestsicherung in derselben Höhe.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Die Linke will gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Sie fordert einen armutsfesten Mindestlohn und eine Stärkung der Tarifbindung orientiert an europarechtlichen Vorgaben.
  • Sozial-ökologische Transformation: Die Linke fordert eine „Investionswende“ für den Klimaschutz und die öffentliche Infrastruktur. Subventionen und Investitionshilfen für eine CO2-freie Industrie sollen an soziale Bedingungen geknüpft werden (wie Tariftreue, konkrete Beschäftigungszahlen)

BSW

Das Bündnis Sahra Wagenknecht kombiniert eine linke Sozial- und Wirtschaftspolitik mit gesellschaftspolitisch konservativen Elementen.

  • Soziale Sicherung: Ein zuverlässiger Sozialstaat soll vor dem sozialen Absturz im Falle persönlicher Krisen schützen. Die Partei fordert eine ausgeprägte öffentliche Daseinsvorsorge.
  • Bildung und Arbeitsmarkt: Das BSW verfolgt den Grundgedanken, dass Wohlstand nicht abhängig von sozialer Herkunft sein sollte und jedes Kind Anspruch auf Förderung seiner Talente hat. Das BSW fordert zudem eine sofortige Erhöhung des Mindestlohns auf 14 Euro.
  • Sozial-ökologische Transformation: Das BSW fordert massive Investitionen in Zukunftsfonds zur Förderung innovativer, heimischer Unternehmen und Startups zur Unterstützung einer klimaneutralen Wirtschaft.

Fazit

Der Blick auf die grundsätzlichen sozialpolitischen Positionen der Parteien zeigt: Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Während die einen auf Umverteilung und staatliche Sicherungssysteme setzen, betonen die anderen Eigenverantwortung und Effizienz. Auch die Voraussetzungen zum Zugang zu Sozialleistungen werden unterschiedlich definiert. Das spiegelt nicht nur verschiedene ideologische Prägungen der Parteien wider, sondern auch konkurrierende Vorstellungen davon, wie Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit zusammenwirken sollten.

Die Sozialpolitik ist somit nicht nur ein technokratisches Feld, sondern eine zutiefst politische Frage, die unsere Gesellschaft und ihre Werte prägt. Für Wähler:innen bedeutet dies, sich mit den unterschiedlichen Konzepten auseinanderzusetzen – denn die Wahl wird auch darüber entscheiden, wie der Sozialstaat der Zukunft aussehen soll.

Disclaimer: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und stellt keine Bewertung oder Unterstützung der dargestellten Positionen dar. Ziel ist es, einen sachlichen Überblick über die sozialpolitischen Grundsätze der Parteien zu geben.