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Brauchen wir die Superministerien?

Im Wahlkampf sehen viele Sozialpolitik als Kostenfaktor. Von Sanktionen bis zur Abschaffung des Bürgergelds werden Soziales und Wirtschaft gegeneinander ausgespielt. Merz und Lindner fordern sogar den Fundamentalumbau der Bundesministerien. Sie weisen damit auf wichtige Probleme hin, verrennen sich aber in einer Scheinlösung. Dominic Afscharian argumentiert, warum Wirtschaft und Soziales kein Widerspruch und die Superministerien kein Allheilmittel sind – aber warum trotzdem Handlungsbedarf besteht.
Der Widerspruch aus Sozialpolitik und Wirtschaftskraft ist also fiktiv. Dennoch ließe sich argumentieren, die Anreize des Wirtschaftsministeriums, Arbeitsplätze zu schaffen, seien größer als die des Sozialministeriums. Diese Vermutung krankt aber gleich an mehreren Stellen. Zunächst wäre die Arbeitsmarktpolitik im Wirtschaftsministerium höchst wahrscheinlich der Wirtschaftspolitik „untergeordnet“ und in Zeiten von Automatisierung sind mehr Arbeitsplätze nicht automatisch das Hauptziel der Wirtschaft. Im BMAS steht die Arbeitsmarktpolitik hingegen nicht nur im Namen vorne, sondern unterliegt auch einer langjährigen Tradition, die Arbeitsmarktintegration als Kernaufgabe begreift. Auch im BMAS würde sich niemand mit hohen Arbeitslosenzahlen brüsten. Selbst die Bürgergeldreform mit ihrem Fokus auf Qualifizierung folgte letztlich diesem Gedanken, denn das „Hartz“-System krankte an verhärteter Langzeitarbeitslosigkeit (Afscharian und Irmler 2019).
Auch die Argumente für die Zusammenlegung der sozialverantwortlichen Ministerien sind wenig stichfest. Die Nichtinanspruchnahme von Leistungen durch Systemvereinfachungen zu bekämpfen ist löblich, aber oft sind die Ministerien gar nicht für die Umsetzung und Ausschüttung der Leistungen letztverantwortlich. Zudem resultiert ein Großteil des Bürokratieaufwands nicht aus ihrer Aufteilung, sondern aus dem Wunsch, niemandem Leistungen auszuzahlen, der sie nicht unbedingt braucht. Daraus entstehen komplexe Antrags- und Prüfprozesse, egal, wer nun die Verantwortung trägt. Eine sozialverträgliche Vereinfachung der Systeme scheitert an den Prioritäten derer, die den Vorschlag des Ministerialumbaus überhaupt erst gemacht haben.