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Mehr als Altersvorsorge
Die versteckten Potenziale der Frühstart-Rente

Mit der „Frühstart-Rente“ will die Bundesregierung gezielt junge Menschen fördern und sie beim Einstieg in den Kapitalmarkt unterstützen. Ein Ansatz mit Potenzial, sagen Lena Eck und Dominic Afscharian – vor allem, wenn er mit Maßnahmen zur Stärkung der Finanzbildung verknüpft wird. So könnte die Regierung auf Ungleichheiten beim Zugang zu Kapitalanlagen reagieren.

Veröffentlicht
11. August 2025
Format
Analyse

Wenn eines bei der Rente sicher ist, dann die Debatte darüber. Mit dem Vorschlag einer „Frühstart-Rente“ will die neue Bundesregierung nun Bewegung in das Thema bringen und „die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße“ stellen. Dahinter steckt mehr als die reine Bekämpfung von Altersarmut: Gerade die Union möchte so „ein Bewusstsein für Altersvorsorge und Kapitalbildung“ bei jungen Menschen schaffen. Neben dem offensichtlichen Potenzial für eine Stabilisierung der Rentenaussichten ergeben sich aus dem Ansatz versteckte Chancen – vorausgesetzt, er wird konsequent weitergedacht.

Das Offensichtliche: Altersvorsorge breiter aufstellen

Union und SPD möchten Kinder, die in Deutschland leben und eine Bildungseinrichtung besuchen, vom 6. bis zum 18. Lebensjahr jeden Monat mit 10 Euro fördern. Der staatliche Zuschuss beliefe sich damit ohne Zinsen insgesamt auf 1.440 Euro. Dieser soll in ein Wertpapierdepot fließen, das frühestens ab dem Renteneintrittsalter auszahlbar sein soll. Ab der Volljährigkeit soll es möglich sein, die Depots „bis zum Renteneintritt durch private Einzahlungen bis zu einem jährlichen Höchstbetrag“ weiter zu besparen.

Die Frühstart-Rente adressiert damit zwei Realitäten der Altersvorsorge Altersvorsorge Altersvorsorge bezeichnet alle finanziellen Maßnahmen, die getroffen werden, um im Ruhestand den Lebensstandard zu sichern. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung gehören dazu auch betriebliche und private Vorsorgeformen, wie Riester- oder Rürup-Renten. Jetzt lesen : Erstens wird die bestehende Rentenlücke mit der gesetzlichen Rentenversicherung allein nicht zu schließen sein – Bürger:innen sind zunehmend gefordert, sich ergänzend selbst für das Alter abzusichern. Die bisherigen staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukte wie Riester Riester-Rente Die Riester-Rente ist eine staatlich geförderte private Altersvorsorge in Deutschland. Sie richtet sich vor allem an sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer und ihre Familien. Durch staatliche Zulagen und mögliche Steuervergünstigungen soll sie helfen, Versorgungslücken im Alter zu schließen. Jetzt lesen und Rürup Rürup-Rente Die Rürup-Rente, auch Basisrente genannt, ist eine staatlich geförderte private Altersvorsorgeform, die sich insbesondere an Selbstständige und Freiberufler richtet. Die Beiträge können steuerlich abgesetzt werden, die spätere Rente wird jedoch voll versteuert. Jetzt lesen stehen jedoch in der Kritik, sich nur für spezielle Gruppen zu lohnen. Zweitens gelten langfristige und regelmäßige Kapitalmarktinvestitionen als sinnvolle Ergänzung staatlicher Rentenleistungen, da sie diversifiziert angelegt höhere Renditechancen erzielen als klassische Sparprodukte wie Tagesgeld oder Festgeld.

Das Implizite: Wert des Sparens vermitteln

Ein wichtiges Potenzial der Frühstart-Rente liegt jedoch woanders: Als kapitalmarktgestütztes Instrument soll sie jungen Menschen möglichst früh den Wert des Sparens vermitteln und Berührungsängste vor den Kapitalmärkten abbauen. Eine angemessene Teilhabe am Wirtschaftswachstum jenseits der Altersvorsorge setzt allerdings Finanzkompetenz voraus. Eine Analyse von Treu und Elss verdeutlicht, dass hier in Deutschland weiterhin Defizite bestehen.

Doch die Frühstart-Rente greift an dieser Stelle kürzer als sie könnte. In ihrer aktuellen Form enthält sie keine expliziten Finanzbildungskomponenten, obwohl Staaten wie Österreich schon länger über nationale Rahmenwerke mit ganzheitlich gedachten Finanzbildungsstrategien voranschreiten und demonstrieren, wie sinnvoll ein solches Vorgehen ist. In Deutschland lässt eine bundesweite Finanzbildungsstrategie nach dem Scheitern der Ampel trotz Forderungen der Finanzminister:innen der Länder noch auf sich warten.

Neben expliziten Bildungskomponenten könnten auch größere Entscheidungsspielräume bei der Verwaltung und Verwendung der Geldanlage eingeräumt werden, um Lerneffekte zu begünstigen. Lernprozesse in der Finanzbildung sind besonders effektiv, wenn sie in sogenannten „teachable moments“ stattfinden – also in Lebensphasen, in denen Menschen unmittelbar mit finanziellen Entscheidungen konfrontiert sind. Die Übertragung einer zuvor staatlich geförderten Geldanlage an junge Erwachsene zur Volljährigkeit markiert einen solchen Moment, sodass die Wissensvermittlung hier besonders wirkungsvoll sein dürfte.

Politische Entscheidungsträger:innen sollten bei der Ausgestaltung zudem stärker auf die Befähigung benachteiligter Individuen abzielen.

Das Versteckte: Teilhabehindernisse abbauen

Defizite in der Finanzbildung sind auch ein Ausdruck sozialer Ungleichheit. Während vor allem gut situierte Haushalte regelmäßig am Kapitalmarkt investieren, bleiben anderen diese Chancen oft verschlossen. Eine klug ausgestaltete Frühstart-Rente könnte hier für mehr Teilhabe sorgen, wenn sie gezielt auf benachteiligte Gruppen ausgerichtet wird. Einer Studie von Finanzwende Recherche zufolge erleben vor allem sozio-ökonomisch schlechter gestellte Menschen nach wie vor strukturelle Nachteile, wenn es um den Zugang zu Kapitalanlagen geht – zumal sie kein oder nur ein geringes Startkapital besitzen. Verglichen mit Wohlhabenden verbleiben sie so oft in schlechteren Anlageoptionen mit niedrigen Renditen.

Ob der anvisierte Zuschuss von lediglich 10 Euro im Monat ausreicht, um die finanzielle Teilhabe von bisher unerreichten Bevölkerungsgruppen sicherzustellen, ist allerdings fraglich. Um auch jene Gruppen nachhaltig zu erreichen, die keinen intuitiven Zugang zu Kapitalmarktinvestitionen haben, bedarf es einer genauen Überprüfung der Höhe der Förderung.

Politische Entscheidungsträger:innen sollten bei der Ausgestaltung zudem stärker auf die Befähigung benachteiligter Individuen abzielen. Denn es stellen sich nicht unwesentliche Gerechtigkeitsfragen. Die Frühstart-Rente schafft beispielsweise keinen Ausgleich für ungleiche Startbedingungen. Auch wenn das Instrument weitestgehend unbürokratisch ausgestaltet werden sollte – und dadurch auf eine komplexe Bedarfsprüfung bei der Förderung verzichtet – gilt es zu klären, wie verhindert werden kann, dass sich bestehende Ungleichheiten weiter verstärken. Ohne Ausgleichsmechanismus ist nicht auszuschließen, dass vor allem wohlhabendere Familien von Mitnahmeeffekten profitieren.

Chancen jenseits der Rente

Die Frühstart-Rente steckt alles in allem voller Potenziale, bei denen es maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Maßnahme abhängen wird, ob sie eingelöst werden. Dies abschließend einzuschätzen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. In jedem Fall erscheint es lohnenswert, das staatlich geförderte Wertpapierdepot für junge Menschen um eine integrierte Finanzbildungskomponente zu ergänzen. Das würde die nachhaltige Wirkung des Instruments verstärken und Ungleichheiten im Bildungsbereich adressieren.

Als Werkzeug der Altersvorsorge kann man von der Frühstart-Rente derweil nicht erwarten, vollumfänglich in den diversen Politikbereichen und Fragen der Sozialpolitik zu wirken, die sie berührt. Umso wichtiger ist es, weitere Maßnahmen zu entwickeln, die die im Policy-Ansatz veranlagten Ideen weitertragen. Eine solche Maßnahme könnte ein „Startchancenkapital“ sein, bei dem der Staat ebenfalls Geld für junge Menschen an den Kapitalmärkten anlegt, dieses aber bereits früher im Leben zur Auszahlung freigibt. Unser hierzu entwickelter Vorschlag verknüpft die finanzielle Förderung eng mit Bildungsangeboten. In der dazugehörigen Studie haben wir erläutert, welche Vorteile ein solches Vorgehen haben könnte und welche Elemente bei der Ausgestaltung besonders berücksichtigt werden sollten.

Die Frühstart-Rente wird voraussichtlich einige Aspekte dieses Vorschlags enthalten. Sie ist ein guter Anfang – denken wir ihn weiter.

Team

Lena Eck

Referentin

Lena Eck wirkt als Referentin sowohl an der inhaltlichen Konzeption als auch am Transfer unserer Projekte in den politischen und vorpolitischen Raum mit.

Dr. Dominic Afscharian

Projektmanager

Dominic Afscharian bringt seine Forschungserfahrung und sein Methodenwissen in die Projektarbeit am ZSP ein.