Zeit ist Geld – und andersherum.

Dr. Robert
Schütte
Referent im BMUKN

Dr. Robert Schütte zeigt, dass die ungleiche Verteilung von Zeit in politischen Gerechtigkeitsdebatten kaum Beachtung findet. Er schlägt konkrete Entlastungsmaßnahmen vor, um das Wechselverhältnis „Zeit ist Geld“ durch politische Entscheidungen wirksam zu nutzen.

Foto: Das Progressive Zentrum
In politischen Debatten über Gerechtigkeit geht es hierzulande quasi immer ums Geld: um Steuern, Sozialleistungen, Subventionen und Schulden. Kaum beachtet bleibt dagegen die Ressource Zeit. Das überrascht, wenn man bedenkt, wie ungerecht Zeit in unserer Gesellschaft verteilt ist – und wird. Was wäre, wenn Politik nicht nur Einkommen, sondern auch Zeit gerechter verteilen würde?
Tatsache ist zum Beispiel, dass Frauen neben der Erwerbsarbeit über eine Stunde mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten als Männer – jeden Tag. Das summiert sich. Auf dem Land kosten Arztbesuche, Schulwege oder Einkäufe mehr Zeit, weil Bus und Bahn nur selten fahren. Wehe dem, der kein Auto besitzt. Und Menschen mit wenig Geld fehlt der Zugang zu vielem, was Zeit spart: Haushaltshilfen, Steuerberater, Homeoffice und gute Verkehrsanbindung. Wer Geld hat, kauft sich Hilfe; wer kein Geld hat, kämpft öfter mit Warteschlangen, Staus und schlechterer Gesundheitsversorgung. Zeitungerechtigkeit ist ein echtes Problem.
Zugleich arbeiten die Deutschen so viel wie nie. Die Zahl der Überstunden liegt auf Rekordniveau, während Erkrankungen an Depression, Burnout und Angststörungen epidemische Ausmaße annehmen. Wer – wie zuletzt Bundeskanzler Merz – behauptet, die Deutschen seien zu faul, ignoriert die Realität. Der Wunsch nach mehr Zeit ist längst gesellschaftlicher Fakt, auch wenn er bislang kaum politischen Widerhall findet.
Was also wäre, wenn der Staat Eltern eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit pro Kind finanzieren würde, anstatt das Kindergeld um 10 Euro zu erhöhen? Das wäre eine enorme zeitliche Entlastung. Was wäre, wenn Behördengänge so effizient organisiert wären, dass sie nicht unnötig Zeit kosten und der Bürger als Kunde, nicht Bittsteller behandelt wird? Davon hätten alle etwas, arm und reich. Und weshalb werden Fahrten zur Arbeit, wie bei Selbstständigen, nicht (anteilig) als Arbeitszeit anerkannt? Pendeln ist schließlich kein Privatvergnügen. Sicher, zuerst würden die Arbeitgeberverbände protestieren. Und im Anschluss alles daransetzen, dass in Busse, Bahnen und neue Fahrradwege massiv investiert wird. Manchmal ist Zeit eben doch Geld.

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