Ein Appell für eine zeit-gemäße Arbeitswelt. Aufstehen, Kaffee, Termine, Termine, Termine, Hinlegen – und wieder von vorne. Haben Sie sich heute schon gefragt, wo die Zeit geblieben ist?
Unser Sein ist ein Sein in gemeinsamer Zeit – mehr als in gemeinsamen Räumen. Das lernten viele durch Remote Work. Was uns gemeinsam wirksam macht, ist, dass wir Zeit in der Arbeit teilen. Ein Drittel unserer Lebenszeit.
Schockierend ist daher der Zustand dieser Zeiträume. Besonders in der „Wissensarbeit“, die so sehr auf ihre kognitiven Leistungen hält, dass sie anderen Arbeitsformen Wissen abzusprechen scheint, zeigt sich klar, wie Gehetztheit, Entgrenzung und Dauerunterbrechung nicht nur uns schadet, sondern auch der Qualität unserer Arbeit. Alle vier Minuten wird ein Büromitarbeiter unterbrochen. Neun Minuten braucht es aber, um wieder fokussiert zu sein. Die Rechnung geht nicht auf. Banken vergeben im Stress mehr Kredite, die platzen. Gerichte vergeben ohne Pausen mehr Haft- und weniger Bewährungsstrafen. Je später der Arzttermin, desto höher die Wahrscheinlichkeit, unnötige Antibiotika verschrieben zu bekommen.
Verantwortung ist zeitintensiv. Krisen bewältigen ist zeitintensiv. Menschlichkeit ist zeitintensiv. Wo bleibt Zeit, sich gute Entscheidungen zu erarbeiten? Um aus dem Hamsterrad herauszutreten?
Letztlich sind es Zeitkrisen, die die Erschöpfung unserer Arbeitswelt auch mit der unseres Planeten verbinden. Für uns als biologische Wesen ist das Zeiterleben rhythmisch – wie Jahreszeiten, Tag und Nacht, der weibliche Zyklus. Auf Anspannung muss Entspannung folgen. Alles, was lebt, braucht Zeitdiversität. Unser Arbeiten dominiert aber das maschinelle Zeitverständnis. Die Zeit eines Sekundenzeigers. Mit jeder Sekunde kommt eine dazu – tick-tick. Damit bauen wir den Planeten ab – tick-tick. Damit muss jedes Wachstum ins Unendliche gehen – tick-tick. Damit überarbeiten wir auch uns über jede Belastungsgrenze – tick-tick. Ein Wirtschaften, das mit der Natur um uns und in uns verantwortungsvoll umgeht, mit dem wir uns aus gegenwärtigen Krisen herausarbeiten können, muss einen klugen Umgang damit finden, was uns alle verbindet. Es ist Zeit.